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Märchen als Inspiration für unseren Alltag

 

In Märchen sind uralte Weisheiten verborgen, die über Jahrhunderte überliefert wurden. Darin finden sich Lebensthemen wie Sehnsucht, Kampf, Liebe, Krise, die uns auch heute helfen können, Antworten auf unsere Fragen zu finden.

An drei Abenden lade ich dich ein, gemeinsam über jeweils ein bis zwei Märchen nachzudenken und uns auszutauschen.

 

 

Donnerstag, 2. Mai 2024: Märchen von geheimnisvollen Frauen

 

Donnerstag, 21. November 2024: Märchen zu den Raunächten

 

Freitag, 7. Februar 2025: Märchen von Wurzeln und Pflanzen

 

Ort: Der MaiHof, kleiner Saal

Zeit: 19.30 – ca. 21.00 Uhr

Kosten: Fr. 15.- pro Abend, ohne Anmeldung

 

Ich freue mich sehr auf dein Kommen!

 

Erika Helfenstein, Märchenerzählerin, ehelfenstein(at)gmx.ch oder 076 460 05 08


Ein Märchen aus dem Elsass

Die Tränenfee

 

Eines Tages, an einem Sonntag, wurde einem Melker und seiner Frau ein Mädchen geboren. Als das kleine Sonntagskind getauft wurde, erschienen zur Feier drei Feen, um das Kind mit guten Gaben zu versehen. Die erste Fee wünschte dem Kind Schönheit, die zweite Reichtum. Die dritte Fee wollte ihm die Gabe der Tränen verleihen. Da aber schritten die Eltern ein und setzten die Tränenfee vor die Tür, denn sie wollten, dass ihr Kind keine Tränen vergiessen müsse. Die Tränenfee rief: „So bedenkt doch: Tränen reinigen das Herz!“ Der Melker und seine Frau aber wollten nichts davon wissen.

 

Die Jahre vergingen, und der Wunsch der ersten Fee erfüllte sich: Das Mädchen wuchs zu einer wunderschönen Frau heran. Allein, es fehlte ihr an Gemüt. Ihr Lächeln war kalt, niemand sah sie je ergriffen oder dass sie weinte. Eines Tages nun sah ein Ritter die junge Frau und war so entzückt von ihrer Schönheit, dass er um ihre Hand anhielt, und bald darauf hielten sie Hochzeit. Und so gesellte sich zu ihrer Schönheit der Reichtum, und auch der Wunsch der zweiten Fee war in Erfüllung gegangen.

 

Doch das Glück auf der Burg währte nicht lange. Der Ritter wurde seiner Frau bald überdrüssig; es war ihm, als hätte er keine Sterbliche geheiratet, so unnahbar war sie. Obwohl sie stets freundlich war, wirkte sie doch kalt und herzlos. Da dauerte es nicht lange, und der Ritter war bald mehr auf der Jagd als auf der Burg. Die junge Frau merkte dies. Weinen aber konnte sie nicht. Bald mieden alle auf der Burg ihre Nähe. Die junge Frau war ihnen unheimlich.

 

In ihrer Not ging sie eines Nachts an den See und wollte sich hineinstürzen. Da aber tauchte aus dem Wasser die Tränenfee empor und sagte: „Ach, Kind, so wisse: Die Menschen meiden dich nicht aus Bosheit, sondern weil dir die Gabe der Tränen fehlt“, und sie erzählte, was am Tage der Taufe geschehen war. Dann sprach die Fee: „Nun will ich dich mit dieser Gabe beschenken“, strich ihr sanft über die Augen und war verschwunden. Die junge Frau ging zurück zur Burg. Sie sann über ihr Schicksal nach, und da traten ihr zum ersten Mal Tränen in die Augen. Sie rollten die Wangen herab und wollten gar nicht mehr aufhören. Alle Tränen aber, die sie weinte, verwandelten sich in Perlen. So weinte sie drei Tage lang. Da erschien wieder die Tränenfee und sagte: „Nimm die Perlen, mache eine Kette draus und lege sie um. Morgen kommt dein Mann von der Jagd zurück. Du wirst sehen: Die Perlen werden dich noch schöner machen und dir zu deinem Glück gereichen.“

 

Die Frau reihte die Perlen zu einer Kette und legte sie an. Als endlich ihr Mann heimkam, staunte er übe ihre Schönheit, den geheimnisvollen Glanz in ihren Augen und das Strahlen ihres Lächelns. Da war er von Herzen froh und schloss sie in die Arme. Und von da an wohnte das Glück auf der Burg.